Brunnen zum Thema „Zither- Reinhold“, Halle, Innenstadt am Leipziger Turm
Wortbeitrag zur Eröffnung im Juni 2001
Hier, wo sich die belebte Leipziger Straße zur eher stillen Großen Brauhausstraße hin öffnet, wird dieser kleine Platz mit dem Brunnen zum Thema „Zither- Reinhold“ – und das ist meine Hoffnung – seinen Mittelpunkt bekommen.
So wie vor mehr als 35 Jahren der legendäre Reihold Lohse, von den Hallensern liebevoll „Zither- Reinhold“ genannt, stets eine Menge Volk um sich versammelte, könnte der Brunnen heute, nach der Übergabe an alte und junge Hallenser, an die Gäste der Stadt und nicht zuletzt an Studentinnen und Studenten, in der Zukunft für alle Vorübereilende ein Ort der Begegnung werden.
In Gegenwart der beiden Bronzefiguren werden vielleicht dann Geschichten, wie die Folgende erzählt:
Es war einmal ein kleiner Junge. Seine Heimat war Glaucha, ein Stück der Stadt unterhalb des Marktes, von hier aus ganz in der Nähe. Wann immer die Leute ihn fragten, was er denn einmal werden wolle, antwortete der kleine Reinhold: Ich will Pfarrer werden. Im Alter von neun Jahren wurde er wie aus heiterem Himmel todsterbenskrank. Nicht wie bei anderen Kindern zu damaligen Zeit – der Herrgott hatte ein Einsehen mit Reinhold um den Preis seiner geistigen Reife – blieb er am Leben.Mit seinem fortan kindlichem Gemüt und mit allerlei handgemachter Musik war er um den Markt herum sommers wie winters zur Freude der Leute rastlos unterwegs. In den Hungerjahren nach dem Krieg ernährten die Hallenser ihren Musikanten aus Dankbarkeit und Ehrfurcht vor dessen Schicksal, wie sie in gleicher Weise auch derb mit ihm umgingen. Am Ende seines langen, selbstlosen Lebens war er ein an Zuneigung und Geheimnissen reicher Mann. Und als er gestorben war, kam er mit großer Gewissheit in den Himmel. Von dort aus lebt er heute noch in der Erinnerung der Hallenser, die ihn kannten.
Und wenn man sie so reden hört, nach über 38 Jahren, sind Himmel und Erde nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Im Angesicht von Frührente, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Mehrwertsteuer und Währungsumstellungen wünschen sie sich ihren Zither- Reinhold zurück.
Auch im Himmel ist es nach dem Einzug einiger Mitglieder des Zentralkommitees merklich dunkler geworden, so dass Zither- Reinhold voller Erwartungen seinem Ruf zur Erde folgte. Ein fast 40jähriger Aufenthalt im Himmel hat ihn verändert.
Er ist soeben als emanzipierter Zeitgenosse wohlwollend auf seine neue Gemeinde schauend gelandet. Ihm zu Füßen sitzt die Erinnerung an seine Erdentage.
Meine Zweisamkeit aus Phantasie und vergangener Realität beherbergen eine Botschaft, die der aufmerksame Besucher am Brunnen finden kann.
„WER DEN FLÜGELSCHLAG DER ERDE NICHT EMPFINDET, BLEIBT KREATUR dieser WELT“
Mit dem kreatürlichen im Menschen ist der Einwand gegen eine zeitgenössisch vordergründige Konsumorientierung verbunden.
Die Tatsache, dass der Brunnen zum Thema „Zither- Reinhold „ in der Einkaufsmeile von Halle seit 2001 zu erleben ist, geht auf die Initiative der Handelsunternehmerinnen und Unternehmer dieser Geschäftsstraße zurück. In einem eingeladenen Wettbewerb konnte das Modell von der Jury aus drei Einsendungen ausgewählt werden.
Nach einer anschließend heißen und öffentlichen Debatte bekam dieser Entwurf seinen endgültig figürlichen Ausdruck.
Während der Brunnekörper, der Baum und das Wasserbild vom ursprünglichen Entwurf übernommen wurde, bekam die große Phantasie- Gestalt den kleineren Zither- Reinhold, diese wirklichkeitsnahe und von den Hallensern erwartete Ergänzung dazu.
Im Juni des Jahres 2001 war es dann soweit, dass die Formen in Stein, in Wasser und in Bronze einschließlich die des Baumes ihre richtige Beschaffenheit zueinander angenommen hatten.
Im spielerischen Wechsel von Kreis und Quadrat ergibt sich eine Diagonale, in deren Richtung die beiden Reinholds in Gestalt einer Mondsichel auf ihren Flügelkästen gelandet sind. Kreis und Quadrat, äußerlich zwei grundverschiedene Erscheinungen, sind im Inneren ihres Wesens aufs Eindringlichste miteinander verwandt. Sie ergeben die Bühne, auf der die beiden figürlichen Gestalten ihre Geschichten erzählen.