„Das Kuckucksmahl“ am Neckar zu Eberbach
Die durch Fachwerkbauten geprägte Innenstadt Eberbachs liegt am Neckar unweit von Heidelberg entfernt. Aller Personen- und Kraftverkehr bewegt sich über eine großzügige Brücke.
In Ufernähe, auf erhöhtem Posten, steht stadtseitig zur Rechten der Brücke, die bronzene Bildsäule.
Die Stifterfamilie Jacobi aus Eberbach erteilte im Jahre 2007 den Auftrag dazu.
Eine bürgerliche Begebenheit aus der Eberbacher Gegend des frühen 17. Jahrhunderts lieferte den inhaltlichen Stoff für diese bizarr juristisch eskalierende Geschichte.
Der Arzt Hans Mantel fühlte sich seit Längerem von dem Küfer Martin Endt gewaltig auf den Arm genommen. Am Pfingstsonntag des Jahres 1604 während eines Umtrunks im Wimmersbacher Wirtshaus des Leonard Schäfer spürt der Arzt seine Gelegenheit, den Spieß umzudrehen. Zum Umtrunk wird gebratenes Geflügel gereicht. Hans Mantel gelingt es, entgegen aller Etikette, einen Kuckuck unterzuschmuggeln, den der Küfer zum Spott aller Saufkumpane auch wirklich verzehrt.
Dem Hohn auf den „Kuckucksfresser“ folgt ein handfester Rechtsstreit – seither ein nicht enden wollender Quell von Heiterkeit und Popularität am Kuckucksmahl.
Im Schatten des Kuckucksmahles bangte der Wirt von Wimmersbach um seinen Ruf. Ohne seine Mitwisserschaft, hätte der Arzt wohl kaum dem ahnungslosen Eberbacher Küfer einen Kuckuck vorsetzen lassen können. So ging der Wirt in die Offensive und verklagte den wütenden Küfer wegen übler Nachrede ob seiner Unschuld am Kuckucksmahl. Es kam zwar zu dem Prozess, jedoch zu keinem Urteil. Vielmehr wendete sich das Blatt im Laufe der Zeit, denn des Kuckucksfressers Schimpf und Schande wurde unerträglich. Auf dass der Eberbacher Küfer wegen dieser Schmach den Wimmersbacher Wirt verklagte. Ein halbes Jahr später wurde der Wirt zu einer hohen Geldbuße verurteil dass ihm Hören und Sehen verging, während der Arzt Hans Mantel als Drahtzieher dieses Bubenstreiches von beiden Prozessen unbehelligt blieb.
Gemessen an der absoluten Kuriosität, aus einem Bösenbubenstreich heraus zwei Prozesse vom Zaune zu brechen, hält sich mit Recht die über allem Absonderlichen thronende Justitia, trotz ihrer amtlichen Augenbinde, zusätzlich voller Entsetzen noch beide Hände vors Gesicht.
Ohne die Geschichten gut lesen zu können, wäre das Bildwerk vom Betrachter am Standort nur mangelhaft zu verstehen. Deshalb kommt dem Ziselieren und Patinieren der Bronzeoberfläche, insbesondere dem Schriftteil, unmittelbar nach dem Guss eine besondere Bedeutung zu.
Ein kleiner Entwurf, nachdem prinzipielle Absprachen getroffen wurden, diente dem Bildhauer und der Stifterfamilie als Wegeführung für den künftigen Arbeitsprozess sowie dem gemeinsamen Dialog bis zur erfolgreichen Einweihung.
Das Tonmodell in der Originalgröße entsteht über einem, die Bildsäule widerspiegelnden stabilen Holzkern. Von den Fachwerkbauten Eberbachs, die dem Zeitpunkt der Geschichte sehr nahe liegen inspiriert, zeigt sich eine hausähnliche „Bühne,“ in deren Rahmen alle figürlich – komplexen Details, wie die geschichtenerzählenden Reliefs vom Mahl und vom Prozess ihre konstruktiv- architektonische Fassung erhalten.
Nach Abschluss des Tonmodells, der Hauptphase des gestalterischen Entwurfes kam es zur ersten Begegnung zwischen den Stiftern und dem Werkstück im Maßstab 1:1 in der Werkstatt des Bildhauers.
Die zwei, gegenüber liegenden Räumen des „Hauses“ beherbergen die Geschichten vom Mahl und vom Prozess, während die anderen zwei Fassaden die Texte dazu tragen. Das Wechselspiel von abstrakt zu verstehenden Schrift- Reliefs gegenüber den figürlichen Reliefs erzeugt einen spannungsvollen visuellen Kontrast, wie er zur dramatischen Steigerung der gesamten Begebenheit nötig ist. Die Reliefgeschichten sind in aufeinanderfolgenden Arbeitsgängen zu erleben.
Nachdem die Arbeiten am Tonmodell beendet - und das Ergebnis von der Stifterfamilie abgesegnet wurde, begann das Handwerklich- Technische der Umformarbeiten im Material Gips, um eine dauerhafte Variante des Entwurfes quasi ein Gussmodell für die Bronzegießerei herzustellen. Dazu müssen von der kompletten Oberfläche Gips- Negativformen in Teilen abgenommen werden. Die Negative werden nach einer isolierenden Behandlung wiederum mit Gips ausgetragen und zu einer scheinbar „groben Säulen“ zusammengesetzt. Anschliessend wird das gesamte Negativ als sogenannte verlorene Form mit Hammer und Meissel entfernt. Die darauf folgenden Feinarbeiten vollenden das Gipsmodell.
In der Bronzegießerei angekommen, teilen die Gießer das Modell, um wiederum Negative aus Silikon herzustellen. Diese Formen dienen den Wachsmodellen als Vorlage. Die Wachsmodelle werden mit feuerfesten Substanzen eingeformt und ausgebrannt. An Stelle des geschmolzenen Wachses gelangt beim Gießen das flüssige Metall in diese Hohlräume und bildet somit dauerhaft die Figur ab.